Gerhard Lang. The process of seeing the clouds, 22. Juli 2020

Radical Matter

Der Begriff "Radical Matter", der aus dem Englischen übersetzt in etwa "unberechenbare neue Materie" bedeutet, bezieht sich auf das ungewöhnliche Verhalten, das bereits vor Jahrzehnten für subatomare Teilchen vorhergesagt wurde. Diese so genannten Quanteneffekte waren lange reine Theorie, doch heute versteht man sie so gut, dass schon bald mit der Fertigstellung von extrem leistungsstarken Computern auf dieser Grundlage gerechnet werden kann.

In der Vergangenheit haben bahnbrechende Entdeckungen oft unser Verständnis der Welt verändert. Wir glauben deshalb, dass auch die Quantenphysik die Art beeinflussen wird, in der wir Menschen denken und handeln. In diesem Falle könnte dies sogar eine recht radikale Veränderung sein, da die Regeln der Quantenphysik jenen grundlegend zu widersprechen scheinen, die wir kennen: Dort gibt es weder eine lineare Zeit, noch ist es klar wo genau sich ein Partikel gerade befindet. Und als ob das nicht schon seltsam genug wäre, würde auch jeder Versuch, solch ein Teilchen zu beobachten, dessen Verhalten auf unvorhersehbare Weise verändern.

Schon heute gibt es komplexe Systeme die gewisse Ähnlichkeiten mit diesen Phänomenen haben, namentlich solche, bei denen sich Transaktionen der realen Welt in Echtzeit mit maschinengenerierten Modellen austauschen wie zum Beispiel an den Finanzmärkten. Da Ursache und Wirkung dabei oft nur noch Sekundenbruchteile auseinanderliegen und unübersehbar viele Faktoren gegeneinander verrechnet werden müssen, sind Entscheidungsprozesse selbst im Nachhinein oft nicht mehr eindeutig nachvollziehbar. Durch die zunehmende Vernetzung aller Lebensbereiche erscheint es also recht wahrscheinlich, dass wir zukünftig öfters mit solchen schwer erklärbaren Überlagerungen und Verschränkungen zu tun haben.

Um diese besser verstehen zu lernen, müssen wir also neue Werkzeuge und Sprachen erfinden und unser Leben wird sich zukünftig noch stärker mit dem der Maschinen verweben. Es ist vorhersehbar,  dass diese enge Partnerschaft große Änderungen mit sich bringen wird – nicht nur in der Informatik und in den Wissenschaften, sondern auch in der Philosophie, der Kunst, der Literatur und im menschlichen Zusammenleben.

Wir wollen zeigen, wie wichtig die Zusammenarbeit der Wissenschaften mit den Künsten sein wird, um sich diese zukünftigen Entwicklungen und die daraus entstehenden Möglichkeiten vorzustellen. Wir wollen praktische Wege erforschen, um ihre Auswirkungen auf uns selbst und unseren Planeten umzusetzen und sind der Meinung, dass dies nur durch die Zusammenarbeit aller Kräfte unter Einbeziehung der Kunst möglich ist.

Das Ergebnis unseres Projekts wird ein Leitfaden für das Unbekannte sein, den wir schreiben, während wir uns auf der Reise befinden.  Es wird sich um eine eigenartige Karte handeln, auf der sich die Orte und Ereignisse, die wir kartieren, durch unsere Beobachtungen verändern. Diese Art der Herangehensweise entspricht ziemlich genau den Methoden, die auch für die Herstellung von Kunst und für alle Formen von Erfindungen erforderlich sind.

ForscherInnen:
Wien: Virgil Widrich (Projektleiter), Martin Reinhart, Erich Prem (eutema GmbH, Technische Universität Wien), Gerald Nestler (Künstler)
London: Johnny Golding (Royal College or Art), Manu Luksch (Künstlerin)
Projektträger: Institut für Bildende und Mediale Kunst / Art & Science, Universität für angewandte Kunst Wien
www.radicalmatter.art

Ereignisse

01. September 2021
Start des PEEK-geförderten Forschungsprojektes "Radical Matter" von Martin Reinhart am 1.9.2021, welches an der Universität für angewandte Kunst/Art & Science gehosted wird.